Dialog mit mir selbst

Foto: „Ausweg“

„Hey…! Na? Wie geht’s? Wie is’es gelaufen…ich mein’ das…MRT?“

„Ach naja….was soll ich sagen. Es war im Grunde wie immer. Viel Brimborium um nichts. Oder sagen wir mal so: da wartet man über ein halbes Jahr auf so einen Termin, legt sich für gerade mal 20 Minuten in so ’ne High-Tech-Röhre rein – und das Einzige, was dabei rum kommt ist…“

„Ja? Na was denn!?“

„Eine CD.“

“…“

„Tja.“

“Ja, wie!? CD. Mit Techno-Beats jetz’ oder wie!?

„Quatsch. Mit Bildern, Mann! Von mei’m Kopp!“

“Ja, schon klar! Aber was ham’se denn nu’ dazu gesagt!? Ist jetzt alles in Ordnung? Oder schlimmer geworden? Oder wie!?“

„Keine – Ahnung.“

„…?“

„Sie haben halt gar nichts gesagt. Niemand da hat mit mir gesprochen.“

“Aber….aber….du warst doch extra in dieser Klinik!? Da wimmelt es doch von Ärzten und Fachleuten und Gedöns, oder!? Ich meine, deswegen geht man doch da auch hin…und deswegen hast Du doch auch den ultra-weiten Weg auf dich genommen!?“

„Ja. Da laufen nur Leute im weißen Kittel rum! Aber niemand von denen hat auch nur ein Wort mit mir gewechselt! Echt jetzt! Vorher nich’ – und nachher auch nicht. Ich habe einfach nur diese CD hier in die Hand gedrückt bekommen und dann sollte ich wieder gehen.“

“Ja wie, gehen!? Wohin denn!? Sollste jetzt’n Videoabend zu Hause mit Freunden machen und die Bilder da von deinem Schädel angucken, oder wie!?“

„Na, ich sag doch nur wie’s war! Ich weiß auch nicht so recht, was ich jetzt mache. Ich werde wohl nächste Woche zu meinem Neurologen in die Praxis gehen — und dann wird er sich die Bilder anschauen und mir erklären, was da in den letzten Monaten so passiert ist und was wir als nächstes tun werden.“

“Und du weißt genau, worauf es hinauslaufen wird, oder?“

„Ja, weiß ich. Er wird mir raten, eine dieser neuen krassen Medies zu nehmen. Und damit soll dann mein Immunsystem aufhören meine Nervenzellen anzufressen. Aber, ob das wirklich so funktioniert, das steht ja in den Sternen. Ich zumindest glaub’ da nicht dran.“

“Aber die anderen, die machen das doch auch, oder? Ich meine…biste krank, kriegste ’ne Medizin und dann wird das schon wieder. Das kenn’ ich auch nicht anders, hat doch so immer ganz gut hingehauen…“

„Ja, klar. Bei ’ner Mandelentzündung habe ich auch immer Antibiotika bekommen und dann hat mich das auch immer gerettet, klar. Find’ ich ja auch gut. Aber hier, mit meiner MS ist das doch irgendwie anders…“

“Warum?“

„Hm.“

“Hm?“

„Ach, das verstehst du nicht!“

“Verstehst du es denn!?“

„Nein. Das macht es doch auch so schwierig für uns alle, so eine Entscheidung zu treffen. Ich meine, da sind Leute in meiner MS-Gruppe, die haben von Tuten und Blasen keine Ahnung, die lesen nichts über diese ganzen Sachen. Die machen einfach, was der Arzt ihnen sagt und dann is’ gut. Die leben ja auch noch!“

“Da hast du Recht. Manchmal scheint es einfacher, nicht so viel zu hinterfragen und einfach mal so zu machen, was die Experten sagen.“

„Das war aber noch nie so meins…“

“Wie ist das denn eigentlich mit den anderen aus deiner Gruppe? Also die, die diese ’neuen krassen Medies’, wie du sie nennst, bekommen haben. Laufen die denn nun tatsächlich besser als du und gehen zur Arbeit und sind voll fit und so?“

„Aber nein! Das ist es doch auch, was mich so zum Zweifeln bringt! Der eine: im Rollstuhl. Die andere: kann kaum noch was sehen. Die meisten haben schon sehr zu kämpfen. Und arbeiten kann auch keiner mehr von ihnen. Da frag’ ich mich schon, was das Risiko mit diesen ’neuen krassen Medies’ gebracht hat. Oder?“

“Naja…du weißt ja nicht, wie es ihnen jetzt gehen würde, wenn sie diese ’neuen krassen Medies’ eben nicht bekommen hätten!“

„Ja, ich weiss. Das sagen die Ärzte ja auch immer. Vielleicht wäre es ja viel schlimmer gekommen! Bla blaa bla.“

“Tja. Und nu’? Lösungen, Farouk, ich bin an Lösungen interessiert. Also, löse es!“

„Tja.“

— — —

Jeden Tag. Der gleiche Dialog. Mal mehr, mal weniger. Mal lauter, mal leiser. Mal länger, mal kürzer. Ausgeschmückt mit Details und Fachberichten. Oder pur und rein emotional.

Lösen werd’ ich’s damit wohl nie. Aber wer weiß — vielleicht kommt es darauf ja gar nicht an. Und so eine Krankheit zeigt dir vielleicht, dass nicht alles dazu da ist, eine Lösung zu erfahren.

Es ist, wie es ist. Nimm es an. Denn du darfst es annehmen.

Und niemand hat das Recht, dich zu einer Lösung zu zwingen. Wenn es gar keine Lösung gibt, keine geben muss.

Gut.

5 Antworten auf “Dialog mit mir selbst”

  1. Ich kann das nachempfinden; man wünschte sich, Zugang zu allen notwendigen Informationen zu haben, um sich als wirklich entscheidungsfähig (ausreichend kompetent) zu erleben. Vieles ist/ bleibt ungewiss, das macht es so unbehaglich. Echt blöd. Beste Wünsche!

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