Erfahren, was mir wichtig ist

Foto: „Zeit steht.“

Manchmal habe ich das Gefühl, ich wollte die Zeit zurück drehen. Gar nicht um Dinge ungeschehen zu machen. Vielmehr hätte ich gerne einiges abgekürzt um schneller dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Rein geistig meine ich das, in meinem Verständnis für die Dinge im Leben.

Was ist wichtig? Wie viel von dem, was ich im Leben getan, gedacht und erlebt habe, hat eine Wichtigkeit für mein Inneres?

Klar, man kann kurzerhand sagen, jeder Moment in deinem Leben hat das aus dir gemacht, was du bist und wie du bist.

Ja, das stimmt auch – ganz sicher.

Was mir zu denken gibt, ist die Zeit, die man auf seine „Sachen“ im Leben verwendet.

Und da gibt es Sachen – und hier kann ich nur von mir sprechen – auf die habe ich so viel Zeit verwendet und am Ende war es doch nur eine ganz kleine Erfahrung, eine simple Erkenntnis, ohne großen Lerneffekt. Und dann ein aufflackernder Gedanke von: „Ah – das hätte ich mir einfach sparen können.“

Blöd ist das für mich dann, wenn ich das Gefühl habe, dieses „Hätte-ich-mir-sparen-können“ bezieht sich auf einen Lebensabschnitt, der über Jahre hinweg ging! Boah. Ja, sowas gibt’s, bei mir zumindest.

Und dann will ich zurück. Diese „Stellen“ sind es, wo ich die Zeit gerne zurück drehen wollte.

Das geht aber nicht. Das ist ja durchaus ein schwerwiegender Gedanke, ein Wissen, das wir Menschen haben. Und ich glaube, in diesem Wissen hat Angst vor dem Tod, vor der Vergänglichkeit, vor dem Ende ihre Wurzel. Wenn wir glauben, haben wir immerhin den Glauben, der uns Sicherheit gibt: „Ja, die Zeit läuft — aber auf kein Ende zu.“

Die Zeit läuft. Du kannst sie nicht aufsparen, kannst sie nicht dosieren. Du kannst sie nicht anhalten oder zurückdrehen. Nichts wird ungeschehen auf der Welt. Und jede Sekunde, jeder Moment ist einmal gewesen und ist nicht wieder. Keine Wiederholung. Kein zweites Mal. Gespenstisch.

Das macht die Zeit, die wir haben, zu einem der wertvollsten „Dinge“, die wir haben. (Ich schreibe jetzt bewusst nicht „Güter“, weil ich nicht in diesen materiellen Kontext möchte.)

Wenn du jung bist, ist dir Zeit egal. Wenn du gesund bist, denkst du nicht nach über die Zeit, die dein Leben dir noch schenkt. Zumindest für mich war das so.

„Youth is wasted on the young.“ Kein anderes Sprichwort würde mehr auf mich zutreffen. Ich habe in jüngeren Jahren so viel Zeit „verschwendet“. Raubbau an der Lebenszeit. Das klingt jetzt irgendwie bös’ — aber ich lass es mal so stehen.

Es ist gar nicht so, dass ich mich jetzt alt fühle. Aber: begrenzt.

Meine Grenzen sind so eng gesteckt. Meine Tage sind kurz. Das bringt meine MS so mit sich. Zeit ist damit noch wertvoller. Und damit sorgsam umzugehen, das ist eine meiner größten neuen Herausforderungen. Das fällt mir schwer. Ich hatte nie Übung darin.

Und was ich hier schreibe, hat gar nichts damit zu tun, dass mir altem Stier bald der Geburtstag winkt. Geb’ ich nicht viel drum, noch nie. Aber wahrscheinlich macht es eben doch was mit mir oder zumindest mit meinen Gedanken.

Also gut. Auf den Punkt gebracht:

Ich hätte früher verstehen können, was mir wichtig ist.

Hab’ ich aber nicht.

Vielleicht hab’ ich nun Angst, dass ich nicht mehr genug Zeit (Lebenszeit aber auch Zeit in Kraft) habe zu verstehen oder zu erfahren, was mir wichtig ist.

Hm.

Aber die Angst muss weg. Sie blockiert nur. Remember? „Angst ist nicht gut!“

Also werf‘ ich sie einfach weg. Und ein Reuegefühl, werf’ ich einfach über Bord.

Und mach mich auf die Suche…bin ich ja schon…und besinne mich auf das, was mir wichtig ist.

17 Antworten auf “Erfahren, was mir wichtig ist”

  1. Was ich denke? Vieles rührt eigenes auf. Meine Jugend, in der ich Lebenszeit großzügigst verschwendet habe, liegt nun schon lange zurück, ich bin alt, aber immer noch verschwende ich Zeit an Dummheiten. Jetzt bin ich mir dessen freilich mehr bewusst (glaub ich). Jetzt möchte ich endlich, endlich zur Substanz vorstoßen, zu dem, was ich eigentlich bin, ich ringe damit, Klarheit zu bekommen. So spät? Hab ich das früher denn nicht getan? Doch. Ich habe unendlich viele Tagebücher geschrieben, in denen ich immer mit dieser Frage rang. Ich kann das nachlesen. Aber jeden Tag kommen diese Fragen von Neuem auf und bleiben unbeantwortet. Wer bin ich? Was will ich? Wohin gehe ich? ich werde einesTages so dumm oder sogar ein großes Stück dümmer ins Grab fahren, als ich geboren wurde. Diese Sorge habe ich.

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    1. Diese Sorge brauchst Du ganz sicher nicht zu haben. Ganz sicher nicht. Manchmal glaube ich, es ist gar nicht so entscheidend Antworten gefunden zu haben. Die Fragen, die sich im Laufe deines Lebens auftun, sie sind es, auf die es ankommt. Ich glaube nicht, dass wir Menschen überhaupt hier sind um Antworten zu finden. Ich glaube, wenn du es geschafft hast, dein ganzes Leben lang weiter Fragen zu stellen und nicht müde wirst neugierig und offen zu sein (soweit deine Erfahrungen das noch sinnvoll zulassen) — dann ist alles ziemlich gut. :) Das glaube ich zumindest. Und allein, wenn ich mir deine Fotos immer anschaue, liebe Gerda, ist da ganz viel Neugierde und viele offene Fragen…also…keine Sorge…
      Vielen herzlichen Dank für Deine Gedanken und Offenheit hier an dieser Stelle!

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  2. Können wir wirklich früher verstehen , was uns wichtig ist ? Ich glaube nicht , die Erfahrungen unseres Lebens bringen dich irgendwann dahin , zu wissen , was ist für mich wichtig . Rückblick ja , jedoch nur kurz ansonsten hängen wir zusehr in der Vergangenheit und sind blockiert in dem hier und jetzt uns komplett zu öffnen . Es sind Lebensfragen die im Alter doch öfters mal kommen , jedoch dafür ist das Leben nicht gedacht . Dankbar sein für jeden Tag und sich schönen erfüllenden Dingen zu widmen , bringt mehr Zufriedenheit.
    Liebe Grüße Mona

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    1. Liebe Mona, Danke für Deine mutmachenden Worte. Da hast Du natürlich recht…Erfahrungen (ob gute oder schlechte) im Leben überspringen, das wäre ein bisschen wie Klavier spielen lernen, ohne Fehler zu machen und sich zu verspielen. Das geht ja gar nicht. Ja, und es stimmt ja, was Du schreibst, dankbar sein und sich den schönen Dingen im Leben zuwenden, das ist sicher das beste, was man mit seiner Lebenszeit tun kann. Ein geradliniger Gedanke…das hat was… :)

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      1. Ich weiß das dies manchmal schwer ist , sich auf die schönen Dinge zu konzentrieren und auch Schicksale anzunehmen . Es gibt da draußen wundervolle Dinge , die das Herz berühren können von phantastischen Sonnenaufgängen bis zum wundervollen Sternenhimmel . Es wäre einfach sehr schade , wenn wir dies an uns vorbeiziehen lassen .
        Liebe Grüße Mona 😊

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  3. Es ist sehr bewundernswert, wie du auf deine Krankheit und Einschränkungen reagierst. Und es ist so, dass du dich jetzt nicht (oder nur wenig – ein bisschen darf auch sein, oder?) ablenken lässt von den wichtigen Fragen und dem, was dir wichtig ist. Ich finde, dass das eine große Leistung ist. Du könntest, wie Viele, ganz anders reagieren. Bitter werden, resignieren, in Ablenkungen und Tröstungen abtauchen. Das wäre menschlich super verständlich (und von allem darf ja auch immer mal was sein) – aber ich erlebe dich in deinem Geschriebenen als sehr zielstrebig konsequent, jetzt um das Wesentliche zu kreisen, und ihm immer näher zu kommen. Ich weiß nicht, ob ich das so schaffen würde. Sei auch ein bisschen stolz und zufrieden mit dir.

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    1. Ich bin Dir so dankbar für Deine Worte, Bettina…. Ich glaube, so zielstrebig konsequent wie Du mich vermutest, das wäre ich gern. Ich weiß nicht, ob mir das gelingt. Manchmal kommt es mir so vor, als würde ich hier die Bedienungsanleitung schreiben und dann aber doch alles falsch machen und die wichtigen Hinweise und Anweisungen nicht genügend beachten. Aber ein bisschen darf man ja auch abweichen und auch mal wieder vom Pfad des Wichtigen und Wesentlichen abrutschen…wie Du es auch andeutest, nicht wahr? Aber gut…hat ja niemand gesagt, dass irgendwas einfach sein würde…durch Deinen Appell, ich solle auch stolz und zufrieden mit mir sein, merkst Du mir schon an, dass ich das nicht so richtig bin, nicht wahr? Und Du hättest Recht damit. Ich hoffe einfach weiter, dass es eines Tages so sein wird, dass ich zufrieden mit mir bin, naja ein wenig……manchmal bin ich es vielleicht auch…ein bisschen…dann und wann räume auch ich mir das mal ein… 

      Sehr liebe Grüße

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  4. Das kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es auch Phasen und Momente (kürzere und längere) gibt, in denen du mit Zweifeln, Ängsten, Wut und Verbitterungs kämpfst. Und das auch zulässt. Das gehört aber auch dazu. Sonst wärst du ja ein Übermensch ;) Ich glaube, es gehört dazu und macht dich menschlich. Aber du suchst weiter, beibst nicht da stehen und kommst zu den Überlegungen und Überzeigungen, die du dann schreibst. Und das finde ich schon sehr bewundernswert. Dass du überhaupt auf diese Gedanken und Schlüsse kommst. Und dass du dich daran immer wieder festhältst und hochziehst. Ich meine, das herauslesen zu können. Räume dir das zufrieden und stolz (du weißt schon – nicht dieser blöde Stolz, sondern der Gute ;) ) auch jetzt schon immer wieder ein. Tränen und Wut müssen raus, sonst schadet man sich. Aber auch das zufrieden sein und sich selbst schätzen für das, was man schafft, darf sein. Und das darfst du, das denke ich beim Lesen sehr oft. Und verwöhne dich. Dich alleine, aber auch zusammen mit deiner Frau. Ihr tragt beide jetzt sehr viel. Feiert auch die guten Seiten. Hoffe, das hört sich nicht so altklug an – aber es ist mir ein Bedürfnis, dir zu schreiben, wie gut du das machst. Ihr. LG, Bettina

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    1. Du schließt mit Deinen Worten meine Frau in die Betroffenheit von meiner Krankheit mit ein. Das finde ich großartig. In meiner Erfahrung bis jetzt, ist das etwas, was sehr selten in den Köpfen passiert. Das ist jetzt ein kleiner Exkurs, aber ich schreibe es, weil Du es hier zur Sprache gebracht hast, Danke dafür! „Farouk ist halt von MS betroffen und seine Frau, wie blöd, muss damit klar kommen.“ Und das stimmt ja so eben gar nicht. Betroffen von meiner Krankheit ist meine Frau genau so wie ich. Und klarkommen MÜSSEN tut sie ja auch nicht. Und das macht es ja besonders, was sie tut. Unser freier Wille macht unser Verhalten erst zu etwas Wertvollem, ist es nicht so? Sie durchlebt das genau so wie ich und die vielen Veränderungen erlebt sie genau so wie ich; wir machen das zusammen. Und das sehen die wenigsten. Was manchmal wirklich auch ein Thema ist und mich auch manchmal enttäuscht und wütend macht. Denn das ist ungerecht. Die meisten Menschen sehen sowas einfach nicht. Aber wie Du sagst, wir beide tragen das alles. Und ich danke Dir, dass Du mich und uns dazu ermutigst die guten Seiten zu feiern und uns zu verwöhnen. Das dürfen wir, Du hast Recht.

      PS: Nichts an dem, was Du schreibst, ist altklug. Es bedeutet mir sehr viel, dass Du findest, dass ich, dass wir das gut machen.

      LG Farouk

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  5. Du darfst darauf vertrauen, dass wir, ehe wir gehen, alle uns zugedachten Lektionen gelernt haben.

    Übrigens, nicht die Zeit fliegt oder vergeht, wir sind es die uns in ihr bewegen :)

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  6. Nichts im Leben ist umsonst, wir erkennen nur den Sinn nicht immer.
    Praktisch jeder hat etwas, das er im Leben getan oder unterlassen hat und hinterher bereut. ABER es war nötig einen zu dem zu machen, was er jetzt ist. Sonst wäre diese Person doch eine ganz andere.
    Spielt es wirklich eine Rolle, wie viel Zeit du für die Erkenntnis gewonnen hast? Ist es nicht wichtiger, DASS du sie jetzt gewonnen hast?

    Ein lieber Freund sagte einst zu mir:
    du hast zwei Arten wie du Wege gehen kannst: Den leichten, mit einfachen Windungen – du gehst ihn, hinauf und dann stehst du vor einem tiefen Abgrund.
    den anderen, wo du schmerzhafte Dornen aus dem Weg schieben musst, den gehst du hinauf unter Schmerz, vergeudest vielleicht auch Zeit und dann stehst du vor einem leichten, sanften Hügel, voller duftender Gräser.

    Wie siehst du deinen Weg?

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  7. Es ist müßig zurückzuschauen, wichtig ist was direkt vor einem liegt. Das Positive im Leben liegt oft vor uns, doch wir sehen es nicht. Wir müssen unsere Perspektive ändern, genauer hinsehen! Es gibt soviel Schönes im Leben, es lohnt sich immer zu kämpfen! Ich übe mich jeden Tag darin! Aber ich WILL es, das Leben wie es MIR gefällt, es soll mir doch gut gehen! Auch wenn es mir manchmal schwer gemacht wird.

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