Multiple Sklerose ist Arbeit

Ab nächster Woche habe ich Urlaub. Zwei Wochen, wow!

Jeglicher auch noch so kleiner Gedanke an den Job ist Tabu! Das fällt mir schwer, weil ich meinen Kopf eher schlecht frei kriege von Dingen in der Firma. Muss ich aber! Erholungsurlaub heißt es ja schließlich.

Okay, verstanden, wird gemacht. Kein Gedanke an die Arbeit, nur ausspannen und abschalten.

Den ganzen Tag nichts tun! Löcher in die Luft gucken! Rumhängen! Chillen! Oder, wie ich heute von so ein paar Youngsters gelernt habe: Nixen! (wtf, LOL!!)

Aber Moment mal! Ich werd’ zwei Wochen lang nicht mehr „arbeiten“. Und trotzdem finde ich mich in Gedanken nicht „nixend“. Mein Tag bleibt nämlich voll. Randvoll mit Dingen, die ich zu tun habe.

„Wieso zu tun!?“, fragt es irgendwoher. „Du bist doch nur noch halbtags und den Rest des Tages hast du doch dann für dich!?“ Und Verantwortung hast du sowieso auch weitgehend abgegeben.“

Ja, liebe Stimme aus dem Off. Du hast schon Recht, gut aufgepasst – aber ich erklär‘ dir das gerne nochmal:

Folgende Aufgaben stehen für mich tagtäglich an:

Gymnastik am Morgen. Um überhaupt in Schwung zu kommen bzw. etwaige Spastiken und Verkrampfungen aus der Nacht weg zu stretchen.

Fahrradfahren (auf’m Ergometer) um in Kondition zu bleiben. Nicht, was meine Ausdauer von Herz und Kreislauf usw. angeht, sondern Ausdauer der Bein-Muskulatur und -Mobilität.

Gleichgewichtsübungen. Das haben mir die Physios in der Kur regelrecht eingebläut. Ja, hilft tatsächlich, so peu á peu. Naja, sagen wir mal so: ich merke nichts, wenn ich es mache. Aber ich merke es dramatisch, wenn ich es nicht gemacht habe.

Hanteltraining. Weil meine Schwierigkeiten bei körperlicher Bewegung unweigerlich dazu führen, genau diese zu vermeiden. Und wenn ich Bewegung vermeide, mich nicht aktiv bewege, würde ich (wie jeder andere Mensch auch) schwächer, baue Muskeln ab, bewege mich schließlich noch weniger, würde noch schwächer und so weiter – ein Teufelskreis.

All dieses sportliche Zeugs hilft mir zudem dabei, den aktuellen Zustand in mir und meinem Körper bewusst zu spüren. Wenn ich morgens fertig bin mit all meinen Übungen, kann ich ziemlich treffsicher sagen, wie viel ich mir über den Tag hinweg an Aktivitäten zutrauen kann.

Entspannung finde ich beim Meditieren. Und beim Bibellesen und Beten. Natürlich, das ist für mein Inneres. Und es ist das Gegenteil von anstrengender Arbeit. Aber es braucht Zeit.

Und wenn ich den ganzen Kram gemacht habe, dann ist die restliche Zeit vom Tag schon sehr knapp.

Es gibt da noch ein paar andere Dinge, die ich jeden Tag mache, über die zu schreiben sich aber nicht lohnen würde. (Wobei ich z.B. darüber schreiben könnte, wie viel Zeit ich mir für die Zubereitung von Essen nehme oder wie viel Zeit die Einnahme bzw. Applikation von Medikamenten in Anspruch nimmt.)

Und jetzt im Urlaub? Ein paar Stunden weniger für den Job am Tag. Aber all das, was da oben steht – das bleibt. uff!

Aber: ich bin urlaubsreif. Ich kann nicht mehr. Ich fühle mich erschöpft. So sehr, wie ich mir seit der Diagnose fest vorgenommen habe, nie wieder zuzulassen!

Es könnte ja sein, du würdest denken, „was macht der Jung’ denn überhaupt!? Arbeitet nur’n halben Tag und macht sonst auch irgendwie nix außer seinen kleinen Blog da – wat der sich anstellt…“ Ich würde dich verstehen.

Urlaub. Die Pflicht im Job hat mal ’ne Pause. Aber meine anderen Pflichten – keine Option. Das muss ich alles weiter machen. Sonst wird’s ungut mit meiner MS, meinen Symptomen, meiner Beweglichkeit, meiner Fatigue.

Weißt du, was richtig klasse wäre? Mal zwei Wochen Urlaub von meiner MS.

16 Antworten auf “Multiple Sklerose ist Arbeit”

  1. Wer bestimmt, das ein halber Tag Arbeit zu wenig ist?? Ich habe auch mal 40 Stunden gearbeitet, nun ist es nur noch die Hälfte, aber mehr geht auch nicht. Und unser Leben ist nicht nur durch die Arbeit bestimmt. Wir haben auch Pflichten, z.B. unserer Gesundheit gegenüber, was auch gut so ist. Wir lassen uns nicht gehen!!!Ich versuche im Urlaub immer mal was anders zu machen. Sport immer, aber nicht so routiniert. Vielleicht versuchst du deine Bewegungspflichten mal anders aufzuteilen, und auch mal die Seele baumeln zu lassen. Es gibt bestimmt auch bei dir etwas, das im normalen Alltag immer zu kurz kommt. Jetzt ist die Zeit…Urlaub! Genieße es!!

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  2. Wenn man erschöpft ist, können auch kleine Dinge schon anstrengend und kraftraubend sein. Ich erinnere Zeiten, in denen gestillt, gewickelt und nicht geschlafen wurde (unser Ältester schlief so gut wie nie) und ich so einfache Sachen wie Zähne putzen und duschen so mega anstrengend fand. Und auch heute, wenn ich erschöpft bin, komme ich da wieder nah heran. Mit einer erschöpfenden Krankheit wird das noch schlimmer sein, denke ich. Und glaube dir jedes Wort. Lass dich auch nicht von deinem eigenen inneren Richter da kleinkriegen. Du bist und bleibst ein Krieger und leistest enorm viel. – Und: habt einen wundervollen Urlaub!

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  3. Jeder Mensch der eine chronische Krankheit hat, was auch immer das ist, leistet soviel Arbeit mit seiner Lebenssituation und seiner Umwelt, dass keine Arbeit auf dieser Welt, dass jemals steigern könnte.

    Ich wünsche dir einfach ein paar „mehr Stunden“, um Dinge machen zu können, die dir Spaß machen. Da fällt mir ein: Musikmachen, Singen, Fotografieren, Kochen…habe gelesen, dass du das sehr gerne macht…

    Ciao Farouk e buon vacanze

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    1. Ich hatte Deinen Kommentar schon gelesen und mich sehr darüber gefreut – hatte mir aber vor der Reise geschworen auf keinen Fall länger ins Netz zu gehen usw. ;) – deshalb jetzt erst meine Reaktion darauf :)

      Vielen Dank für Deine Wünsche, die ich mir zu Herzen genommen habe und hm….da hast Du ja richtig mitgelesen, das freut mich total, all die Sachen, die da stehen, kann ich ja vielleicht noch viel öfter machen! ;-)

      Ciao Tete, mille grazie! :)

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  4. Lieber Farouk,

    Hab einen schönen und erholsamen Urlaub! :-) Aber zwing dich nicht zu sehr, nicht an die Arbeit zu denken. Ich hatte letztens auch zwei Wochen Urlaub und hab in der ersten Woche öfter kurz in die Emails geschaut. Ich konnte tatsächlich besser abschalten, wenn ich kurz nachgeguckt habe, statt mich stundenlang davon abzuhalten. – In der zweiten Woche habe ich dann schon fast gar nicht mehr reingeguckt und fühlte mich sehr erholt. Das kam dann ganz automatisch.

    Musst du alle Sportübungen täglich machen? Sonst könntest du sie täglich wechseln. Muskeln brauchen ja auch Zeit zum Wachsen. Und so könntest du den Zeitplan vielleicht etwas straffen. Ansonsten: Schöne Musik dabei anmachen. Aber ja, so Urlaub von der MS wäre mal ganz nett. :-)

    „nixen“ ist ja echt witzig! +lach+ Hatte zuerst an „Nixe“ wie „Meerjungfrau“ gedacht, aber das kommt wohl eher von „nichts“ -> „nix“. :-D

    Liebe Grüße,
    Kiira

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    1. Liebe Kiira,

      Danke für Deine Wünsche. Es war tatsächlich ein schöner, sehr erholsamer Urlaub. :)
      Ja, Deine Strategie mit den E-Mails habe ich früher auch so ähnlich gehandhabt, ich verstehe, was Du meinst und das kann auch sehr gut funktionieren, wie ja bei Dir. :) Ich selbst muss inzwischen andere „Geschütze“ auffahren und die totale Null-Linie fahren und das Abschalten wirklich erzwingen, rigoros (naja, musste ich lernen…!) :)

      Naja…ich schau schon, dass ich jeden Tag den Sportkrams mache…was die Muskeln angeht, ich splitte ;-) Aber jetzt im Urlaub, hab ich’s auch echt mal schleifen lassen, war ja alles anstrengend genug…! Und Musik dabei: klar, sowieso, immer! :)

      Ja….nixen is geil, ne!?!? :D …ich hab auch ne Weile gebraucht um’s zu raffen! XD

      Liebe Grüße zurück :)

      Farouk

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      1. Lieber Farouk,

        Wie schön, dass Du Dich in Deinem Urlaub erholen konntest! ☺

        Das heißt, wenn Du nicht die totale Null-Linie erzwingst, funktioniert das Abschalten nicht so gut?

        Sehr gut mit den Muskeln! 😁

        Ich hab meinem Mann letztes Wochenende von „nixen“ erzählt und seine Reaktion dabei zu beobachten, war sehr witzig 😂😁 Er hat genauso irritiert geguckt, wie ich mich kurz gefühlt hatte, weil das so unbekannt für unsere Ohren ist. 😃

        Liebe Grüße,
        Kiira

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      2. Liebe Kiira,

        ja, ich war da noch nie so gut drin, im Abschalten; ich muss es daher mit voller Disziplin erzwingen 😉

        Danke…ja…und das mit den Muskeln ist für mich besser als jede Physiotherapie!! 🙂

        Dann hat Dein Mann vielleicht ähnlich aus der Wäsche geguckt, wie ich selbst, als meine Frau mir von diesem neuen Szene-Ausdruck erzählt hat! (von ihr hab ich das nämlich!) 😅

        Liebe Grüße zurück an Dich 😊

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