Wenn ich bete

Krankheit der Starre

Krankheit der Verlangsamung

Krankheit der Trägheit

Krankheit des Stillstands und der Ohnmacht.

Keine andere könnte zu mir passen, besser als diese.

Mein Leben, Krisen. Große Krisen, kleine und richtig echte.

Depression? Ja. Seit ich denken und handeln kann. Aber dieses Wort, was bedeutet es? Irgendwas, was krank ist. Was Gesunde nicht kennen. Eine Bezeichnung für etwas, was aus der Reihe tanzt.

Aber in diese Reihe gehöre ich nicht. Tanzt doch allein euren Tanz. Is’ nich’ meine Musik. Nicht meine Party, die ihr feiert.

Ich feiere gern, ja, auch ich. Bin nur nicht dabei, wenn das Fest beginnt.

Ich versuch’s wirklich oft, das glaube mir. Zu sagen, so wie die andern, „ich hab’ MS, und doch hab’ ich mein Leben im Griff und hab’ Spaß daran.“ Mein Punkt ist nur: mein Leben hab’ ich nicht im Griff. Und Spaß dran hab’ ich auch nicht. Aber nicht wegen der MS. Nein, nein. Schon immer hatt’ ich keinen. Manchmal schon. Doch oft, viel zu oft: Nicht.

Also, was soll das alles?

Das Leben lebenswert empfinden? Aber empfinden – das Empfinden empfinden – das ist das, was fehlt. Verstehst du? Warum verstehst du nicht? Versteh’ ich es nicht?

Ja, ich bin das, der nicht versteht, ich weiß. Aber mein Leben wird immer dann wertvoll, wenn ich es wegwerfe. In Gedanken es beende. Dann spür’ ich es. Dann ist alles ringsum weg. Was du willst von mir, was ich nicht geben kann. Was ich glaube zu müssen und doch nie leisten kann. Was ich als wichtig mir einbilde, in Wirklichkeit aber nur ein Nichts für mich ist. In meiner, nur meiner Wirklichkeit.

Ist das nicht aber unsere Aufgabe? Meine? Aufgabe? Ist es mein Geschenk? Nur für mich? Mein Leben, meine Wirklichkeit? Nur für mich! Ein Lächeln auf meinem Gesicht, bei dieser Idee. Mein Geschenk, mein Leben, von so großem Wert, geschenkt von dir.

Danke

Lebenswert oder nich’. Keine Ahnung. Aber Du hast es mir gegeben, hast mir ein Geschenk gemacht. Ob’s mir gefällt? Das behalt’ ich für mich. Aber es ist so lieb gemeint, nicht wahr? Das weiß ich. Du meinst alles lieb. Und ich, ich weiß gar nichts.

Aber hüten werd’ ich es. Vielleicht um dir eine Freude zu machen. Und weil ich dir vertraue. Dass es gut ist. Dass es für mich ist. Für mich gut ist.

Was weiß ich denn schon. Ich kann ja nur vertrauen.

Und alles ist wieder.

Und Du! Hab Du auch wieder Mut! Alles wird.

7 Antworten auf “Wenn ich bete”

  1. was ich denke? dass du gut schreibst. dass du dich nicht scheust, dein Nichtkennen des Lebenssinns, deine Hilflosigkeit auszubreiten. Dass du ringst um Verstehen und um ein Ja zum Leben, in welcher Form auch immer. Also auch zu deinem Leben. Dass das auch immer so bleiben wird, dies Ringen keine endgültige Antwort kennt, nicht deins, nicht irgendeines anderen Menschen. Ματαιώτητα (Mataiotita) – .so sagte mir eine junge Frau, sei das Wort, das sie verfolge, das sich in ihr festgesetzt habe und alles verdunkle. Dabei sei sie eigentlich ein fröhlicher Mensch, dem Leben zugewandt, trotz des Knochenkrebses, den sie als Kind überwunden hat , so dass sie nun mit Holzbeinen vom Knie abwärts lebt.
    Es ist schwierig, solche Gedankenformen wieder loszuwerden, wenn sie sich einmal festgesetzt haben. Es braucht Übung und geduldiges Wahrnehmen jeder sinnerfüllten Minute. Jeder Minute. Denn jede ist sinnerfüllt, auch wenn der Sinn dem Verstand dunkel bleibt. Liebe Grüße.
    Ματαιώτητα bedeutet in etwa: Vergeblichkeit.

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    1. Liebe Gerda,

      vielen Dank für Deinen Kommentar, der mich die letzten Tage sehr nachdenklich gemacht hat (das Wort „nachdenklich“ meine ich ganz und gar positiv!).

      …Ματαιώτητα (Mataiotita)…dieses Wort beschäftigt mich schon sehr. Vergeblichkeit…wenn ich dieses Wort so interpretiere als „alles in meinem Leben oder rund um die Krankheit ist irgendwie vergebens“, dann finde ich mich darin nicht wieder. Denn all das ist gar nicht vergeblich. Es bringt mich ja viel weiter, als ich vor der Krankheit war.

      Aber so wie Du es schreibst, es brauche Übung und geduldiges Wahrnehmen jeder sinnerfüllten Minute, ja so sehe ich es auch. Und diese „Übung des Wahrnehmens“, sie kann sehr, sehr anstrengend sein. Für mich zumindest ist sie das.

      Und dann manchmal verliere ich momentweise Mut und Zuversicht, weil es eben so sehr an den Kräften zehrt.

      Aber bis jetzt – immer dann, wenn die innere Stimme sich meldet und sagt, „nein es ist nicht Vergeblichkeit“ – immer dann kommt alles wieder und dann geht es weiter…

      Danke für Deine Gedanken und liebe Grüße
      Farouk

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  2. „Das Empfinden empfinden“, das ist das was fehlt; du beschreibst mit dieser Aussage den Kern dunkler Gefühle. Warum empfinden einige Menschen diese Gefühle sehr stark und andere nicht? Das habe ich mich schon oft gefragt. Veranlagung, Konditionierung, Schicksal… was auch immer, wenn das dunkle Gefühl kommt dann ist es stark, laut und nimmt einem soviel Kraft weg, dass am Ende nicht viel bleibt außer die Hoffnung und das Vertrauen einfach nicht aufzugeben und irgendwann erscheinen wieder die hellen Momente, das Licht, die Kraft, die Liebe, die uns mit allem versöhnt.

    Gefällt 2 Personen

  3. Dein Gebet berührt mich sehr. Deine Texte sowieso.
    Vertrauen können, glauben können – ist wohl eines der grössten Geschenke. Der Glaube lässt mich über die mein eigenes Sein hinauswachsen, lässt mich das unfassbare Wunder des Lebens und den Weltenplan erahnen, davon ich ja ein Teil bin. Mit meinem Leben schreibe ich einen Teil diese unglaublichen Geschichte hinein. Wie gross ist denn das?

    Ich wünsche dir Mut und Freude, immer wieder JA zu DEINEM Leben zu sagen. Schön, dass es dich gibt auf dieser Welt! brig

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