Im Gespräch – Gefühl? Oder Entscheidung?

Die letzten Wochen habe ich große Probleme, meinen Alltag hinzubekommen. Bei mir ist die Hitze ein ganz großes Thema. Ich komm gar nicht mehr klar eigentlich. Mit dieser Hitzewelle. Die Nächte sind entsetzlich und ich schau, dass ich um halb-vier, vier Uhr morgens das Bett wieder verlasse. Sonst halte ich es nicht mehr aus.

Viel. Zu viele Dinge, die ich habe, die meinen Alltag füllen. Und dann kriegt man seinen Tag noch gerade so über die Bühne. Und am Ende des Tages ist dann zu wenig Kraft.

Naja. Ich schreibe wirr.

Ich habe mich entschieden. In der Tat habe ich mich entschieden. Es hat lange gedauert. Und ich habe ja diese Entscheidung sehr lange vor mir her geschoben, eine Entscheidung für eine Eskalationstherapie. Für eine Therapie über Copaxone und Betaferon hinaus.

In Bezug auf die Unterdrückung der MS hat bislang alles, was ich unternommen habe nichts – oder sagen wir eben zu wenig – gebracht. Zu dieser Einsicht kam ich ja nun nach, sagen wir, nach vier Jahren. Nach vielen Gesprächen mit mir selbst und mit vielen anderen Menschen. Mit verschiedenen Menschen, auch MS-Betroffenen. Und mit meinem Neurologen und mit meinen nächsten Menschen, weil sie ja auch direkt davon betroffen sind, was mit mir passiert und was ich als Nächstes tun werde.

Schließlich.

Schließlich haben wir uns zusammen dazu entschieden, Ocrelizumab zu nehmen. Also, ich jetzt.

Du weißt aus dem einen oder anderen Artikel in meinem Blog, dass ich diese Ocrelizumab und Natalizumab und Schiessmichtot-zumabs eigentlich immer von mir fern gehalten habe.

Aber jetzt, am Ende, füge ich mich der Einsicht und sage: Ocrelizumab – ja, das soll es also für mich sein.

Vorbereitung. Ich wurde geimpft. Gegen alles mögliche. Ein paar Standardimpfungen und ein paar spezielle, gegen etwas seltenere Erreger bzw. Viren. Sechs oder acht Wochen sind es schon, die ich damit zubringe, geimpft zu werden und zu warten, bis die Antikörper sich gebildet haben und so weiter.

Und jetzt ist das alles gelaufen und die Schonfrist ist vorbei und nun ist es bald morgen.

Bald, schon in ein paar Stunden ist es morgen.

Und da werde ich meine erste Infusion Ocrelizumab bekommen. Bei meinem Neurologen. Der macht das bei sich in der Praxis. Direkt vor Ort. Fünf bis sechs Stunden wird das gehen. Ein paar Vorbereitungen noch heut’ in der Nacht. Tabletten musste ich noch zur Nacht nehmen. Tabletten, die eine allergische Reaktion auf das Präparat verhindern. Ich bin gespannt. Aber nicht freudig. Nicht so wie zu Weihnachten als Kind. Nein, ganz anders als das. Ich weiß nicht wie. Das habe ich so noch nicht erlebt.

In der Zwischenzeit, wann hatte ich das letzte mal davon geschrieben, ich weiß es schon gar nicht mehr, habe ich zwei Schübe gehabt. Einer davon, nämlich mein letzter, war ziemlich schlimm und schwer. Hat ziemlich viel kaputt gemacht.

Bei mir, Gott sei Dank, bisher immer auf die Beine und auf diese ganzen motorischen Sachen. Ja, das ist schon beschissen genug. Aber ich bin noch klar im Kopf und hab’ noch klares Sehvermögen und solche Dinge. Die kognitiven Seiten sind bei mir noch nicht berührt. Außer Fatigue, natürlich. Aber mit dieser Art der Erschöpfung habe ich inzwischen gelernt umzugehen.

Aber gut, ja ich hoffe, dass ich das Ocrelizumab gut vertragen werde. Dass es keine bösen Nebenwirkungen geben wird. Dass es mir keine fiesen Infektionen – wegen des lahmgelegten Immunsystems – bescheren wird. Dass es keine schlimmen Entzündungsreaktionen auslösen wird. Und schließlich – dass es mich nicht in die offenen Messer der „Corona Front“ laufen lässt.

Ist das jetzt der richtige Schritt? In dieser Zeit?

Ja. Ich bin guten Mutes. Ich weiß es nicht. Ob ich da überhaupt etwas spüren werde. Irgendeine Veränderung? Eine Wende? Nein, vielleicht nicht. Werde ich deutlich weniger Schübe haben? Ich werde sehen. Und weiß von nichts.

Aber ich weiß, ich habe etwas getan. Etwas dafür getan, mich nicht meiner MS zu ergeben. Und wenn ich es aus ganz eigener Kraft nicht geschafft habe, dann doch mit ein bisschen Hilfe von außen. Ich möchte nicht mehr im freien Fall leben, von einem Schub in den nächsten. Mit Unmengen an Kortison, die mich ja auch letztlich kaputt machen.

Ansonsten schenkt das Leben mir doch aber auch sehr viele schöne Dinge. Insofern…geht es mir gut. Ich genieße den Tag. Ich verfalle nicht in Gram oder – schlimmer noch – in Hoffnungslosigkeit.

Nein, ich freue mich. Und bin glücklich. Über das Leben.

Manchmal jedoch, scheint das kein Gefühl zu sein. Sondern eine Entscheidung. Aber vielleicht ist das ja auch eine kluge Strategie. Wenn ich mich nicht glücklich fühle. Dann entscheide ich mich glücklich zu sein.

Wer weiß, wo der Unterschied ist…

Danke für’s Lesen. Das war ja etwas anstrengend heute.

10 Antworten auf “Im Gespräch – Gefühl? Oder Entscheidung?”

  1. Lieber Farouk, es ist wirklich schwer zu liken, denn Deine Krankheitsgeschichte kann ich nicht gut finden. Gestern dachte ich noch an Dich und fragte mich, was Du wohl machst.

    Ich kann Dir nur Erfolg für Deine Therapie wünschen und wünschen, dass es Dir bald besser geht.

    Liebe Grüße von Gisela

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  2. Danke für diesen Einblick! Ich wünsche dir, dass das Medikament wirkt und du von ungewünschten Nebenwirkungen verschont bleibst. Ich wünsche dir auch, dass du dich in Zukunft häufiger glücklich fühlst.

    Und ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.

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  3. Lieber Farouk, du hast mir auch viel über die verschiedenen Medikamentengruppen erklärt. Ich bewundere deine Entscheidung und ich drücke die Daumen, dass alles gut geht und es für eine Erleichterung sorgt.
    Danke für deine strukturierten und total bewegend geschriebenen Zeilen!

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  4. Ja, es ist eine Entscheidung, glücklich zu sein, unbedingt. Ist das ein Medikament, das das Immunsystem unterdrückt. Wahrscheinlich hast du das ohnehin erklärt, aber ich habe es noch nicht gelesen

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  5. Bist du dir eigentlich bewusst, dass du seit Anfang des Blogs immer gefühlvoller schreibst? Mir kommt es zumindest so vor.

    Hast du dir mal Kühlkleidung überlegt? Diese wurde von einer Ärztin mit MS entwickelt und du findest sie genauso in den Onlineshops. Sie sind wirklich gut – musst dich aber selber durchklicken was am Besten zu dir passt.

    guck mal hier:

    https://myskaldkonur.com/2020/09/17/awesome-blogger-award/

    😉 hab dich nominiert 🙂

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      1. Ich finde, du hast es dir verdient, denn du führst einen ernsten, aber wichtigen Blog und was ich mit dir bislang schreiben durfte spricht für ein gutes Herz

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