Veränderung

Erst Zettelwirtschaft, dann mein Blog

Was hat sich in den letzten paar Jahren getan, was hat sich entwickelt, was hat es für mich für Veränderungen gegeben? Eure Kommentare zu meinem letzten Beitrag (der mit den 10 Jahren) haben mich nochmal zum Nachdenken darüber gebracht. (Vielen Dank für Eure Kommentare!) Schreib‘ ich dieses Nachgedachte einfach mal runter, los geht’s.

Meinen Blog habe ich einige, wenige Jahre. Meine MS-Diagnose ein gutes Jahr länger. Das ist schon irgendwie toll, wie sich Dinge entwickeln können. Wie aus kleinen Ideen größere Ideen werden. Wie aus einer kleinen Zettelwirtschaft mit Tagebuch-ähnlichen Einträgen in meiner Schreibtischschublade ein heranwachsender Blog wird (und noch immer in der Pubertät).

Ist ja auch immer noch nichts Großes, da bin ich ganz bescheiden. Aber es ist ein großartiges Gefühl zu wissen oder zu ahnen oder wenigstens zu hoffen, dass Du jetzt hier gerade meine Zeilen liest!

Wie aus einer Not heraus, nämlich der Not, meine vielen chaotischen Gedanken aus meinem Kopf irgendwohin schreiben zu müssen – denn würde er nicht sonst platzen? Wie aus dieser Not heraus eine mir ganz fremde Leidenschaft wird: das Schreiben.

Mein Blog ist Teil meines Lebens, feste Größe meines Alltags geworden. Wer hätte das für möglich gehalten?

Und was hat sich verändert?

Ach, es hat sich viel getan. Vieles an meiner Gesundheit. Gesundheitlich ist vieles besser geworden, ich bin nicht mehr so gestresst, was eine meiner größten Herausforderungen war und immer noch ist. Ernährung und Tagesrhythmus sind heute gesünder. Einiges ist gesundheitlich aber auch schlechter geworden. Deutlich. Meine Gangfähigkeit hat noch weiter abgenommen. Fatigue und Kraftabnahme über den Tag hinweg haben rasant zugenommen. Gleichgewichtssinn? Ach du Schande… In Anbetracht der relativ geringen Zeitspanne von Diagnose bis jetzt (gerade mal fünf Jahre) – wohl nicht der mildeste MS-Verlauf.

Was weiter besser geworden ist? Vieles an meiner Einstellung, meiner Haltung – zum Leben allgemein. Aber auch in Bezug auf den Fokus, den ich nun sicher auf anderen, meinem Gefühl nach wichtigeren Themen habe. Ich kann besser „nein“ sagen als je zuvor, das bedeutet mindestens einmal mehr als gar nicht – pro Tag. Kann besser für mich einstehen und meine Grenzen schützen. Kann sagen: mir reicht es, bis hier und nicht weiter – mach‘ ich nicht mit. „Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen für Sie.“

Und wenn das alles geklärt ist, was dann? Ich kann ein ganz schöner Motzköddel sein. Wenn ich meine ersten Blogbeiträge nochmal lese und mir durch den Kopf gehen lasse…meine Güte, da hab ich meine lieben Leser*innen aber ganz schön strapaziert. Ich glaube, dass auch das eine wichtige Veränderung für mich ist – den Dingen positiver gegenüberstehen.

Lieber kitschig als bleah!

Dass das Wetter Mist ist – kann doch ich nicht ändern, ich kann es nicht ändern! Also was? In der Bude verbarrikadieren, Licht aus, Decke über’n Kopf ziehen und heulen und über die Götter schimpfen? Schwachsinn. Entspannt sein, warm anziehen, Mütze auf, Schirm zu und raus in den Regen und den Klassiker von Gene Kelly trällern! Ja, ist albern und kitschig – aber doch wahr. Und dass ich MS habe? Ja, was? Auch das kann ich nicht ändern. Niemand hat schuld daran, es gibt keinen Grund, keine Strafe, keine Heimtücke, die das gemacht hat. Es ist. Mehr nicht. Die Sonne – sie scheint immer noch. Und der Mond – er wacht immer noch über dich, über mich, er ist einfach da. Ich glaube, all das habe ich nun besser verstanden als je zuvor. Und so kann ich positiver und gelassener leben. Gnädiger mit mir sein und die Dinge, die nicht ganz genau so sind, wie ich sie mir wünsche, nicht so verbissen sehen. Es ist einfach in Ordnung, wenn es nicht in Ordnung ist.

Glauben an Sätze?

Glaubenssätze. Das höre und lese ich immer wieder, Glaubenssätze soll man ja haben. Etwas, woran man sich festhalten kann, woran man glauben, woran man sich orientieren kann – was auch kommen mag.

(Es gibt übrigens ein gutes Buch, das ich in diesem Zusammenhang empfehlen kann, es heißt: Die Bibel)

Ansonsten bin ich nicht so der Typ für Glaubenssätze. Aber für Gedanken der Veränderung. Und im Laufe dieser paar Jahre meines Schreibens auf meinem Blog sind es immer wieder diese wiederkehrenden Gedanken der Veränderung:

Gedanken der Veränderung

  • Mein Weg ist:
    glücklich sein, nicht trotz, sondern mit meiner MS.
  • Zu verbittern und mich hinter meiner Krankheit zu verstecken, das kommt für mich nicht in Frage.
  • Wegen meiner Krankheit (denn ich musste lernen, Geschwindigkeit, Ehrgeiz und Stress aus meinem Leben zu entfernen) lebe ich gesünder.
  • Ich habe gelernt wichtige Dinge zu sehen. Und die nicht wichtigen zu ignorieren.
  • Heute ist mir klar: nicht so viel ärgern, hadern und aufregen. Die Zeit, die ich habe, ist dafür zu schade und das Leben viel zu wertvoll.

Dankbarkeit

Die für mich größte Veränderung aber liegt in der Dankbarkeit, die ich heute empfinde, viel, viel mehr als zuvor. Dankbarkeit für mein Leben und für jeden Moment, den es mir gut geht. Das Leben spüren und in vollen Zügen genießen und dankbar dafür sein. Naja, ich versuche das, immer öfter gelingt es mir auch. Oft genug aber auch nicht, das ist immer dann, wenn ich wohl zu schwach bin dafür. Und auch das ist ok.

Und, wenn ich mal so einen schwachen Moment habe, wenn es mir schlecht geht, wenn ich in ein Stimmungstief falle, vielleicht, weil ich einen Schub habe, aber vielleicht auch einfach so und gar nichts mehr geht: dann halte ich mich fest.
An diesen Gedanken, an den Erinnerungen an so viele gute Momente. Fest an den Menschen, die ich liebe und die mich nicht loslassen, nicht fallen lassen – Menschen, die bleiben.

Und was, wenn sie nicht blieben? Was, wenn ich zu schwach würde, mich festzuhalten? Dann werde ich gehalten. (Und ja, das ist Glaubensbekenntnis.)

Danke

Mein Schreiben hilft mir, mich zu verändern. Der Austausch mit Dir und den anderen Menschen, die lesen, was ich schreibe, hilft mir dabei, realistisch zu bleiben.

Danke für das Schreiben. Danke Dir, Danke Euch, die es lesen.